Der Verzögerungsrechner berechnet den Bremsweg und die Bremszeit von Bahnfahrzeugen und Zügen in Abhängigkeit bestimmter Eingabedaten. Die Eingabedaten sind dabei die Startgeschwindigkeit vor dem Bremsvorgang, die Zielgeschwindigkeit nach dem Bremsvorgang, die Bremsart des Zuges und die mittlere Betriebsbremsverzögerung. Für die letzteren beiden Eingabeparameter wird die Eingabe durch Auswahllisten unterstützt, ohne dass man entsprechende tiefe Vorkenntnisse zur Eisenbahntechnik haben muss.
Eingabewerte und Ergebniswerte
1. Unter dem Dropdownfeld „Triebfahrzeugtype“ kann der Bediener ein Triebfahrzeug auswählen, für welchen viele verschiedene physikalische Parameter hinterlegt sind. Unter 1b kann der Bediener die Anzahl der im Zugverband gekoppelten Triebfahrzeuge eingeben. Diese und nachfolgende Eingabedaten werden beim Zugkonfigurator genauer erläutert.
2. Falls unter 1a eine Lokomotive ausgewählt ist, dann erscheint das Dropdownfeld „Wagentype“. Hier kann der Bediener einen konkreten Wagentyp auswählen. Unter 2b gibt der Anwender die Anzahl der Wagen ein.
3. Über den Auslastungsgrad wählt der Bediener aus, wie sehr sein ausgewählter Zugverband ausgelastet ist.
4. Durch die Fahrzeug- und Wagenauswahl berechnet der Fahrzeitrechner die resultierende Zuglänge als Kontrollwert. Dieser ist angegeben in Metern.
5. Über die Fahrzeug- und Wagenauswahl lässt sich auch das resultierende Zuggewicht, angegeben in Tonnen, als Kontrollgröße berechnen.
6. Mit der Verzögerungsart wählt man aus, ob es sich bei der untersuchten Bremsung um eine Betriebsbremsung oder eine Zwangs- bzw. Notbremsung handelt.
7. Die mittlere Betriebsbremsverzögerung bzw. Schnellbremsverzögerung ist der wichtigste Parameter in dieser Rechnung und wirkt direkt auf die Bremskurve im Geschwindigkeit Weg Diagramm. Sie stellt die negative Beschleunigung dar und wird in Meter pro Sekunde in Quadrat angegeben. Der Wertebereich liegt zwischen 0,1 und 2,8, wobei diese extreme Grenzen darstellen. Viele Bremsvorgänge im Bahnverkehr werden beispielsweise mit 0,8 m/s² getroffen. Im Verzögerungsrechner sind die wichtigsten Werte als Dropdownfeld hinterlegt.
8. Die Bremsstellung bzw. die Bremsart ist eine Bremstype, die unter anderem darüber aussagt, wie schnell Bremsen an einem Zug in Abhängigkeit der Zuglänge ansprechen. Sie wirkt sich auf die Bremskraftaufbauzeit aus, welche als Zwischenschritt in der Formel hinterlegt ist. Die Bremsstellung hat hinsichtlich des Verzögerungsrechners vor allem für viele Güterverkehrszüge eine Bedeutung, für Personenverkehrszüge ist sie oft nur nachrangig. Im Verzögerungsrechner sind die wichtigsten Werte als Dropdownfeld hinterlegt. Im Falle einer Bremskraftaufbauzeit wird eine sehr flache Linie im Geschwindigkeitswegdiagramm angezeigt.
9. Die Anfangsgeschwindigkeit vor dem Bremsvorgang ist sehr relevant für die Ergebnisse des Verzögerungsrechners, vor allem hinsichtlich der Bremsweglänge gibt es keine lineare sondern eine quadratische Abhängigkeit. Im Verzögerungsrechner sind die entsprechenden Werte in Kilometer pro Stunde einzutragen.
10. Die Zielgeschwindigkeit nach dem Bremsvorgang bildet mit der Anfangsgeschwindigkeit das zu überwindende Geschwindigkeitsdelta, auch sie hat gleichermaßen Relevanz. Im Verzögerungsrechner sind die entsprechenden Werte in Kilometer pro Stunde einzutragen.
11. Die mittlere Neigung oder Steigung gibt der Anwender mit der Einheit Promille ein. Das ist demzufolge der Höhendifferenzwert nach eintausend Metern Streckenlänge. Die Steigung oder Neigung zahlt auf das Bremsvermögen ein. Mit dieser Annahme geht eine andere Annahme einher, nämlich dass dabei alle anderen Fahrwiderstände bereits bei der mittleren Bremsverzögerung bereits annahmetechnisch berücksichtigt ist.
12. Der Schienenzustand beschreibt, ob die Schiene trocken oder feucht oder ähnliches ist. Dieser wirkt direkt auf die Haftreibkraft zwischen Rad und Schiene. Dadurch kann es unter bestimmten Eingabekonstellationen kommen, dass die Haftreibkraft der Bremskraft nicht genügt, sodass der Zug ins Gleiten kommt. Die Bremskurve wird dann so ausgegeben, dass der Zug gerade nicht gleitet, aber dafür langsamer bremst. Dieses Feld ist ein Auswahlfeld.
14. Die resultierende Bremszeit ist die Zeit für den Bremsvorgang, beginnend mit dem Bremseinsatzpunkt bis zur Erreichung der Zielgeschwindigkeit. Ihr Ergebniswert ist in Sekunden angegeben.
13. Der resultierende Bremsweg ist die Streckenlänge, welche der Zug beginnend am Bremseinsatzpunkt bis zur Erreichung der Zielgeschwindigkeit zurücklegt. Ihr Ergebniswert ist in Metern angegeben.
Physikalische Annahmen
Bei der Errechnung der Bremsweglängen und der Bremszeiten sind folgende physikalischen Annahmen und Vereinfachungen unterstellt:
- Die Fahrt findet auf einer ebenen Fahrbahn ohne Steigung oder Neigung statt.
- Der Zug hat eine gleichmäßige Bremsleistung in Abhängigkeit der Geschwindigkeit. Sehr leicht geringere Bremskräfte im oberen Geschwindigkeitsbereich, wie es durchaus bei einigen Fahrzeugtypen vorkommen kann sind nicht explizit berücksichtigt, sondern finden sich lediglich in der mittleren Bremsverzögerung wieder.
- Die Auswahl der Bremsverzögerungswerte sind nur ein Vorschlag, etliche Bahnfahrzeuge können von dieser Grobkategorisierung abweichen.
- Die mittlere Bremskraftaufbauzeit ist ideal berechnet, bestimmte Spannungen im Fahrzeugverband, die sich auf das Bremsverhalten auswirken sind nicht berücksichtigt.
- Die Zuglängenkategorie ist nur eine grobe Einteilung. Je länger ein Zug ist, umso mehr Zeit benötigen Druckluftbremsen beim Ansprechen der Bremsen der hinteren Wagen. Mit dieser Grobeinteilung wird eine Ungenauigkeit von wenigen Bremsmetern in Kauf genommen.
Formeln und Herleitung
Um alle Formeln zur Bremsweg und Bremszeitberechnung sauber herleiten zu können, muss man sich an der physikalischen Grundformel von Newton halten, welche da lautet: Kraft ist gleich Masse mal Beschleunigung. Im Falle des Verzögerungsrechners ist die Kraft die übertragene Bremskraft, die aufgrund der Reibeigenschaften von Stahl auf Stahl ungefähr konstant und geschwindigkeitsunabhängig ist. Die Zugmasse bleibt auch gleich, somit folgt daraus, dass die Beschleunigung konstant ist. Da die Bremskraft gegen die Beschleunigung wirkt, haben wir es mit einer Verzögerung zu tun, der Beschleunigungswert ist also negativ.
Durch integrieren erhält man die Geschwindigkeit in Abhängigkeit der Zeit. Durch nochmaliges Integrieren erhält man die Wegstrecke in Abhängigkeit der Zeit. Um die Formel (4) zu vereinfachen, gibt es hinsichtlich der Bremswegberechnung eine physikalische Standardbedingung: Der Bremsvorgang ist beendet, sobald die Zielgeschwindigkeit von 0 km/h erreicht ist. Sie ist in der Formel (5) dargestellt. V0 ist die Startgeschwindigkeit und V Ziel ist die Endgeschwindigkeit. Nach t aufgelöst und in die Formel (4) eingesetzt ergibt dies die Bremswegformel.
Interessant ist das negative Vorzeichen, denn dieses hebt sich mit der negativen Verzögerung auf, sodass eine positive Bremswegstrecke daraus resultiert. Dies sei deswegen explizit erwähnt, weil vielerorts im Internet und in Lehrbüchern mit einer falschen Bremswegformel hantiert wird, die nicht das negative Vorzeichen hat, weil hier falsche Herleitungen zugrunde liegen. Dabei wird der Fehler dadurch kaschiert, dass man als Verzögerungswert einen positiven Wert verwendet.
Alle anderen Größen wie beispielsweise die Bremszeit lassen sich ebenso aus den bereits erwähnten Formeln sauber herleiten.
Das sind Erfahrungswerte, aber nicht nur meine persönlichen, sondern auch jene einiger anderer Fachleute, die damit zu tun haben. Mit dem Thema Betriebsbremsverzögerung erzeugt man aber gewisse Scheingenauigkeiten, denn die kann von Fahrpersonal zu Fahrpersonal manchmal stark unterschiedlich sein. Diejenige die beispielsweise bei AFB Systemen unterstellt ist kommt der durchschnittlichen nahe. Letzten Endes sind das Mittelwerte.
Danke vielmals für die ausführliche Beschreibung zum Bremsweg und den praktischen Rechner.
Eine Frage hätte aber trotzdem noch:
Von wo kommen die „Betriebsbremsverzögerungen“?
Basieren die auf Erfahrungswerten oder gibt es dafür eine Liste im Internet?
Vielen Dank für die Hilfe.